Zunächst erging es mir ähnlich, wie dem Verfasser des Mallorca-Museumsführers: „Warum noch niemand ein Buch über Mallorcas Museen geschrieben hat, war mir ein Rätsel, bis ich mich selbst an die Arbeit machte.“ Inzwischen sind über zwölf Jahre seit dem Erscheinen von Murrays „Museumsführer Mallorca“ vergangen, aber einen Klosterführer ist bislang noch nicht erschienen; obschon es mehr Klöster auf Mallorca gibt als Museen … und oftmals existiert auch Beides gemeinsam unter einem Dach.
Tatsächlich existiert wohl kaum ein anderer Flecken auf unserem Planeten, der flächenmäßig gesehen, mehr Klöster und Einsiedeleien vorweisen könnte, als diese beliebte Ferieninsel. Auch sind „Klosterreisen nach Mallorca“ schon längst kein Geheimtipp mehr, sondern liegen im starken Trend des sog. sanften Tourismus.
Zwar waren auch die “ersten Mallorca-Touristen” George Sand und Frederic Chopin Kloster-Urlauber, als sie ihren Ferienaufenthalt in der berühmten Kartause von Valldemossa verbrachten. Aber das war zu jenen Zeiten wohl eher die Ausnahme, obwohl der daraus resultierende Reisebericht “Ein Winter auf Mallorca” Weltruhm erlangte.
Im Jahre 1996 erschien dann endlich der köstliche Erfahrungsbericht des englischen Ehepaares Jill und Nick Carter, die erstmals in zusammengefasster Form ihren “Aufenthalt in Mallorquinischen Klöstern” auf anschauliche und sehr unterhaltsame Weise schilderten.
Aus eigenen Erfahrungen kann ich bestätigen, dass man zu jener Zeit noch recht akribisch in alten Landkarten suchen, manch verstockten Insulaner nach den Wegen ausforschen, beharrlich an den verschlossenen Pforten warten und oftmals seltsam anmutende Fragen der Verwalter beantworten musste.
Um die letzte Jahrtausendwende herum gab es auch auf Mallorca ein Erwachen und der neue Trend wurde erkannt. Wurden den sporadischen Einkehrgästen in mancher Einsiedelei bis dahin noch Strohsäcke für ein preiswertes Nachtlager angeboten; begann man jetzt die Klosterzellen zu restaurieren und die Wege erkennbar zu beschildern.
Gab es in den 90’er Jahren gerade einmal 5 Pilgerstätten, die mehr oder weniger widerwillig ihre Pforten für Touristen öffneten; so existieren heute weit mehr als ein gutes Dutzend von Klosterherbergen, die mit ganz unterschiedlichen Orientierungen ihre Gäste nunmehr bereitwillig empfangen.
Das Spektrum reicht von der noch immer bescheidenen Herberge auf dem Alaro, über den in jüngster Zeit hergestellten Hotelkomfort (z.B. La Victoria oder Sant Salvador) bis zum Wellness-Tempel auf 5-Sterne.Niveau in Palmas „Convent de la Missio“.
Inzwischen sind die originellen Herbergen in den mallorquinischen Klöstern zu beliebten Urlaubszielen bei Jung und Alt geworden; besonders aber auch wegen ihren exponierten Lagen bei Wanderern und Radsportlern.
Diese Entwicklung ist nicht so ungewöhnlich oder gar unvereinbar mit diesen mystischen Orten und entspricht sogar dem internationalen Trend. Prominente, wie Udo Lindenberg, welcher sich schon vor Jahren eine ausgiebige Auszeit in einem mallorquinischen Kloster gegönnt hat, machen schon längst keinen Hehl mehr aus dieser etwas ungewöhnlichen Urlaubsform.
Dennoch benötigen auch sie (oder ganz besonders) etwas, was das Wort Kloster vor allem zusichert: einen geschützten und ungestörten Aufenthaltsort (Kloster leitet sich vom lat.: „claustrum“ ab und bedeutet soviel wie „verschlossener Ort“, vergl.: Klausur). Aber erwartet das nicht ein jeder, der sich für einen gewissen Zeitraum oder seine Ferienzeit dorthin zurückzieht, wo er vom üblichen Trubel des Massentourismus verschont bleiben möchte?
An dieser Stelle kommen wir auf Donald G. Murray zurück, der gleich zur Einleitung seines bereits erwähnten Museumsführers auf die Fragestellungen gestoßen ist: „Was ist ein Museum?“ und „Was ist kein Museum?“ Die gleiche Fragestellung stellt sich derzeit auch in Bezug auf die Klöster und ebenso auf die Klosterferien. Auch auf Mallorca.
Wurden bislang Kategorien, wie Klosterferien, Klosterurlaub und Klosterreisen noch gar nicht definiert; so bestehen auch innerhalb des sich vereinheitlichenden Europas recht unterschiedliche Auffassungen über die Begrifflichkeiten Kloster, Einsiedelei oder Heiligtum. Letztendlich haben aber derart differenzierte Handhabungen auch Konsequenzen, bis hin zum Reisevertragsrecht.
Denn bei aller Originalität gibt es auch auf Mallorca noch Beherbergungsformen, selbst im Bereich der Klosterreisen, wo die Besucher und Gäste gänzlich auf sich gestellt sind und im Schadensfall keinerlei Versicherungsschutz genießen.
Es ist auch eine Aufgabe dieses Klosterführers, an entsprechender Stelle darauf hinzuweisen, welcher Art die Unterkunftsmöglichkeiten sind und wie die Beherbergungsverträge zustande kommen. Angestoßen wurde eine Diskussion von Joan-Antoni Adrover i Mascaró in seinem bemerkenswerten Buch „600 Fragen zu Mallorca“, wo er die Beantwortung eben dieser Frage, was denn eigentlich ein Kloster sei, vom Spanischen „Monasterio“ (griech.: monos = allein) ableitet.
Dabei kommt er zu der Feststellung, dass es auf Mallorca keinen einzigen Mönch mehr gäbe und weder Lluc in Escorca noch San Salvador bei Felanitx seien jemals Klöster gewesen. (Vgl. S.58) Es sind gerade diese Fragestellungen, die auch das Defizit des Fehlens eines Klosterführers deutlich machen; welcher neben den örtlichen Sehenswürdigkeiten und üblichen Wegbeschreibungen, auch auf die historische Entwicklung und architektonische Besonderheiten hinweist.
Das Kloster Lluc zum Beispiel wurde im Jahre 1268 von Augustinermönchen erbaut und wird in deren Tradition von der heutigen Kongregation ausdrücklich nach klösterlichen Regeln fortgeführt, auch wenn es im bestimmten Umfang seine Pforten für den Tourismus geöffnet hat.
Auch das Kloster Sant Salvador bei Felanitx wurde 1348 nach den strengen Vorgaben für die Errichtung romanischer Sakralbauten errichtet, um der Einsiedlerbruderschaft zu den Heiligen Paulus und Antonius, diese spirituelle Wirkungsstätte für die Seelsorge der dortigen Bevölkerung zu stiften. Es ist bis heute ein Kloster geblieben, auch wenn die letzten Ordensbrüder diesen Ort im Jahre 1992 verlassen haben und inzwischen ein Hotel mit Restaurant dort eingezogen sind, ohne die spirituelle Bedeutung dieses Ortes zu beeinträchtigen.
Über die Jahrhunderte haben Klöster und Einsiedeleien, sowie religiöse Orden und Gemeinschaften auch Geschichte geschrieben und Entwicklungen erfahren. Ein Ort, der als Kloster oder Einsiedelei errichtet, geweiht und genutzt wurde, wird auch weiterhin ein Kloster bleiben, sofern er weder baulich noch nutzungsbedingt zweckentfremdet wurde und seinen sakralen Charakter erhalten konnte; sei es nun als Museum, als Herberge oder als bloße Sehenswürdigkeit.
Hinzu kommt, dass im Bistum Mallorca weit über 200 Klöster und Einsiedeleien bis zum heutigen Tage bestehen und dass hiervon nur ca. 70 für den Tourismus erschlossen wurden, wovon die Letzteren in diesem Klosterführer vorgestellt werden. Obwohl der Aufenthalt und teilweise die Unterkunft in mallorquinischen Klöstern zur Regel geworden ist, kann von einer Tendenz zum Mitleben in klösterlichen Gemeinschaften wie sie inzwischen in Mitteleuropa angeboten wird (z.B. Projekt: „Kl-Österreich“) nicht die Rede sein.
Zwar existieren, trotz der in unserer modernen Zeit stark dezimierten Mitgliederzahlen, auch weiterhin kontemplative Orden und Gemeinschaften, die in vollkommener Abgeschiedenheit ein beschauliches Leben führen; ebenso die von der Kirche eingerichteten „Häuser der Spiritualität“, die für ganz zielgerichtete klösterliche Aktivitäten, wie Exerzitien oder Einkehrtage für Priester etc., genutzt werden. Diese sollten im beiderlei Interesse auch von einer Erschließung des „sanften“ Tourismus verschont und auch für die Zukunft ungestört bleiben.
Sollte jemand dennoch aus seelsorgerischen Gründen die Absicht haben, zeitweilig in einem mallorquinischen Kloster mit zu leben und mit zu arbeiten, dann gibt es auch hier Wege und Möglichkeiten; zum Beispiel über die Deutsche Auslandsseelsorge auf Mallorca (hier bestehen sowohl eine katholische Pfarrei als auch eine evangelisch-lutherische Gemeinde; ja selbst eine Ordensgemeinschaft in einem Kloster mit Deutschen Schwestern) oder über das Bistum in Palma.
In diesem Klosterführer sollen aber die für den Tourismus aus ganz unterschiedlichen Gründen geöffneten, zugängigen Klöster und Einsiedeleien erstmals in geschlossener und übersichtlicher Form vorgestellt werden. Dabei wurde insbesondere eine verständliche Darlegung für die interessierten Leser, und die gute kartografische Handhabung für den wegsuchenden „Ferienpilger“ bedacht.
>>>DiDaC